Betrachtung von in Deutschland produzierenden Unternehmen
Was bisher kurz bei den vorhergehenden Untersuchungen Beachtung gefunden hat, ist der Umstand, dass nicht nur im zweiten Schritt des Entscheidungsprozesses nämlich der Frage der Standortwahl Fehler gemacht werden können, sondern bereits im ersten Schritt, der der Frage nachgeht, ob überhaupt ein Auslandsengagement eingegangen werden soll.
Diese Phase ist eng mit der Frage verknüpft, ob die Potentiale, die der Standort Deutschland bietet, betrachtet wurden und überprüft worden ist, ob man am Standort Deutschland eventuell eine Optimierung der zu verlagernden Produktion vornehmen kann. Betrachtet man die Unternehmen, die eine Rückverlagerung vornehmen, stellt sich die Frage, ob der Standort Deutschland nicht von ihnen zu pessimistisch vor der Auslandsverlagerung gesehen wurde. Hierbei geht es nicht um die Frage, ob sich irgendwelche Standortfaktoren in Deutschland verbessert haben, sondern es geht darum, ob gewisse Standortfaktoren in Deutschland nicht beachtet wurden bzw. falsch bewertet worden sind. Betrachtet man Unternehmen, die weiterhin in Deutschland produzieren, lassen sich aus deren Gründe für diese Entscheidung eventuell Rückschlüsse auf Rückverlagerungsgründe finden. Diese Unternehmen begründen u.a. ihre Entscheidung für den Standort Deutschland damit, dass qualifiziertes Personal und die nötige Infrastruktur in Deutschland vorhanden sind, um qualitativ hochwertige Produkte zu produzieren. Des Weiteren wird argumentiert, dass bei einer Produktion im Ausland der deutsche Markt nicht schnell und flexibel genug beliefert werden kann. Ein weiteres Argument ist, dass das Qualitätssiegel „Made in Germany“ sich am deutschen Standort zu eigen gemacht werden kann (vgl. BÖHMER 1997: 103f.). Eine Studie der Boston Consulting Group zeigt, dass das Gütesiegel „Made in Germany“ noch immer positiv das Kaufverhalten beeinflusst und dass es auch nichts von seinem Wert verloren hat (vgl. BCG 2004: 9ff.). Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern, schauen viel zu selten auf die Frage, ob diese Internationalisierungsstrategie und mit ihr einhergehende Risiken auch notwendig sind und ob nicht eine Optimierung am ausländischen Standort nötige Kosteneinsparungen liefern kann (vgl. KINKEL/LAY/ERCEG 2004:30). Auslandserfahrungen erhöhen die Wahrnehmung für Potentiale am deutschen Standort und somit teilweise die Wertschätzung von Standortfaktoren am heimischen Standort (vgl. Schulte 2002: 219). Diese Erfahrungen machen teilweise den deutschen Standort schließlich attraktiver und führen zu einer Rückverlagerung an den deutschen Standort. Die Untersuchung von in Deutschland verbleibenden Unternehmen liefert demnach Anhaltspunkte, die die zweite Hypothese unterstützen. Die rückverlagernden Unternehmen sind am ausländischen Standort gescheitert, weil die heimischen Standortvorteile vor der Verlagerung falsch bewertet wurden.
BCG (2004): Deutschland – ein Perspektivenwechsel. Mit Leidenschaft für Veränderung. München: Boston Consulting Group.
Böhmer, Reinhold (1997): Unverzichtbarer Standort. Wie Firmen es schaffen, trotz hoher Löhne und kurzer Arbeitszeiten mit Erfolg ausschließlich in Deutschland zu fertigen. Wirtschaftswoche 51(1997)9: 102-104.
Kinkel, Steffen; Lay, Gunther; Jung Erceg; Petra (2004): Produktionsverlagerungen und Auslandsproduktion im deutschen Verarbeitenden Gewerbe – Stand, Trend, Motive und Effekte. In:
Schulte, Anja (2002): Das Phänomen der Rückverlagerung. Internationale Standortentscheidungen kleiner und mittlerer Unternehmen. Wiesbaden: Gabler.